Baugebiet Vöhrum „Nördlich Hainwaldweg“: Steinzeitliche Funde


Einer der Ausgrabungsabschnitte (Abschnitt 19) vom Winter 2016-17 im Baugebiet, mit ausgegrabenen Gruben der vorgeschichtlichen Siedlung. Fotos: Tomas Budde
Einer der Ausgrabungsabschnitte (Abschnitt 19) vom Winter 2016-17 im Baugebiet, mit ausgegrabenen Gruben der vorgeschichtlichen Siedlung. Fotos: Tomas Budde | Foto: Tomas Budde

Im Baugebiet Vöhrum „Nördlich Hainwaldweg“ wurden in den Jahren 2016 und 2017 Flächen von insgesamt weit über einen Hektar Größe archäologisch erfasst. Archäologe Thomas Budde gibt nun Einblick in seine Forschungen unter dem Titel "Die spätbronze-eisenzeitliche Siedlung und Steinzeitliche Funde".


Es handelt sich neben dem im gleichen Zeitraum erforschten Lengeder Baugebiet um die bisher großflächigste systematische Ausgrabung im Landkreis Peine. Die Bereiche waren zunächst allesamt vom Bau oder Bodenaustausch betroffen. Im Februar und März sowie August 2017 wurden zehn weitere größere Flächen auf den Baugrundstücken selbst untersucht, um die künftigen Bauherren präventiv von archäologischen Bauauflagen zu entlasten. Die Baugebietserschließung wurde durch die Ausgrabungen nicht verzögert, weil immer große Zeitpuffer bestanden haben. Der Oberbodenabtrag musste freilich etwas sorgfältiger erfolgen als im Normalfall. Der erste Bericht liegt gut ein Jahr zurück. Nun kann resümiert werden.

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Arbeitsfoto: Grabungshelfer mit ausgegraben Siedlungsgruben im März 2017 Foto:



Es ergaben sich drei gut unterscheidbare Ergebniskomplexe: die mittelalterliche Landwehrbefestigung, die spätbronze- bis früheisenzeitliche Siedlung und Feuersteinfunde nicht-sesshafter Jäger und Sammler. An dieser Stelle soll zunächst auf die vorgeschichtlichen Funde eingegangen werden. Auf dem unteren Hang an der Landgrabenniederung wurden in weiter Streuung Feuersteinwerkzeuge gefunden. Es handelt sich um Klingengeräte, darunter Kratzer und eine querschneidige Pfeilspitze, die an den Übergang von der Mittel- zur Jungsteinzeit gehört. Die Funde sind mit Jägern und Sammlern oder frühen Ackerbauen in Verbindung zu bringen, die an dieser Stelle jedoch nicht sesshaft gewesen sein können, weil entsprechende Befunde fehlten. Eindeutige Siedlungsfunde sind dagegen der späten Bronze- bis älteren Eisenzeit zuweisbar.

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Große halbierte Vorratsgrube Foto:



Es handelt sich um 77 vollständig ausgegrabene Siedlungsgruben und 243 Einzelfundstellen sowie Scherbennester von angepflügten Gefäßen. Die Funde konzentrieren sich locker auf vier bis fünf Bereiche: Im Nordosten, im mittleren westlichen Bereich und sowohl im Osten als auch Westen auf der höchsten Stelle des Hangsporns über der Landgrabenniederung. Es bestätigte sich, dass die direkte Nähe der Bachniederung nicht gesucht wurde, sondern eher eine erhöhte Position. Wir können wohl von vier bis sechs ehemaligen Hofstellen im jetzigen Baugebiet ausgehen. Es spricht viel für eine weite Fortsetzung der Siedlung, die man sich als lockere Aneinanderreihung von Höfen vorstellen muss, auf dem oberen Talhang des Landgrabens. Bei den meist runden fundhaltigen Gruben handelt es sich vor allem um Vorrats- und Abfallgruben von stark unterschiedlicher Größe. Daneben sind einige Pfostengruben und drei Herdgruben, angefüllt mit Holzkohle und brandrissigen Feldsteinen vertreten.


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Siedlungsgrube mit einer Scherbenkonzentration eines großen zertrümmerten Vorratsgefäßes Foto:



Gebäudegrundrisse können nicht rekonstruiert werden, weil offenbar Schwellenbauten bevorzugt wurden, deren Spuren ganz durch die Beackerung zerstört sind. Durch eine Grube mit einst hineingehängten Webgewichten konnte aber ein Gewichtswebstuhl nachgewiesen werden, zu dem ein Webhaus gehört haben muss. Unter den Funden dominiert naturgemäß die Keramik, daneben Schlachtviehknochen und weiterhin Feuersteinwerkzeuge. Die Keramik stammt häufig von großen Vorratsgefäßen sowie gewöhnlichen Schalen. Die Vorratsgefäße sind oft mit Tonschlicker geraut. Als Verzierung treten häufig Fingerkuppeneindrücke als umlaufende Bänder oder auf der Gefäßmündung auf. Statt Henkeln dominieren einfache Handhaben wie Knubben, Griffleisten und Ösen. Die Datierung der Keramik in die späte Bronze- bis frühe Eisenzeit wird durch ein Gewandnadelfragment mit bronzenem Kugelkopf gestützt, das in das 7./8. Jh. v. Chr. gehört. als zweiter bedeutender Metallfund ist ein eiserner Sporengürtelhaken zu nennen. Diese aus dem süddeutschen keltischen Gebiet stammende Form der Gürtelschließe hat nächste Fundorte in Mitteldeutschland und stammt aus der Frühphase der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (5./4. Jh. v. Chr.). Somit ergibt sich ein Datierungsansatz für die Vöhrumer Siedlung, der allein mit der Keramik nicht zu gewinnen gewesen wäre.

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Geborgene Reste von großen Vorratsgefäßen während der Ausgrabung Foto:



Aus derselben Siedlungsgrube wie der Sporengürtelhaken stammt der sicher bedeutendste Fund der Grabung: Eine Tonplastik, die ein menschliches Ohr in stilisierter Form darstellt. An der Rückseite befindet sich ein kleiner rechteckiger Griff. Dieser in den kultischen Bereich einzuordnende Fund ist einzigartig für die eisenzeitlichen Siedlungen unserer Region. Mangels Vergleichsmöglichkeiten ist eine Deutung des Fundes offen. Aus dem antiken östlichen Mittelmeerraum sind Votiv-Ohren aus Keramik oder Stein bekannt, von denen man sich einen Kontakt zur jenseitigen Welt oder den Göttern versprach. Weiterhin erwähnenswert ist der mehrfache Nachweis von Textilherstellung durch den Webstuhlbefund und mehrere tönerne Spinnwirteln. In zwei Gruben lagerten größere Mengen weißen Kalkmergels, der aus der Schwicheldter Gegend stammen dürfte. Wozu er verwendet wurde ist unklar – eventuell als Fussbodenestrich.

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Scherben eines von Pflug zerstörten Gefäßes mit typischer Fingerkuppeneindruck-Verzierung Foto:



Schließlich ist noch auf das das Fehlen von Eisennverhüttungsresten hinzuweisen. Obwohl die Nähe der Fuhseniederung eine Beschaffung des Rohstoffes Raseneisenerz ermöglicht hätte, und die windexponierte Lage des Hanges ideal für den Betrieb von Schmelzöfen gewesen wäre, hat man darauf verzichtet oder die Eisengewinnung noch nicht beherrscht.

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Scherben eines Gefäßes mit typischer Oberflächen-Rauung durch Tonschlicker, um das Gefäß griffiger zu machen, doch auch als Zierelement zu deuten. Foto:





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Oberteil eines verzierten Gefäßes, zwei Spinnwirteln (Schwungscheiben für die Garnherstellung) und eine Flintklinge aus einer Siedlungsgrube Foto:





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So genannter Sporengürtelhaken (Gürtelverschluss) aus korrodiertem Eisen (5./4. Jh. v. Chr.) . Nach 2500jähriger Bodenlagerung stark restaurierungsbedürftig, daher im Fundzustand belassen. Links die Öse, in welcher ein Gegenring des anderen Gürtelendes eingefügt wurde. Rechts die Ansätze für zwei Nietplatten für die Befestigung am Ledergürtel, von denen nur eine noch erhalten ist. Foto:





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Ohrförmige Tonplastik aus derselben Grube wie der Gürtelhaken (4./5. Jh. v. Chr.). An der Rückseite befindet sich ein rechteckiger Griff. Foto:




Lesen Sie hier den zweiten Teil des Berichts:


https://regionalpeine.de/ausgrabungsergebnisse-baugebiet-voehrum-noerdlich-hainwaldweg/


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